Letzter Ausstieg Ithaka

Eine Post-Hippi-Meditation (mit Oliven!)

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts brachen an die 100 Menschen auf, um auf einer griechischen Insel ihr Glück und Wärme zu finden. Sie fanden Hitze, aus dem Glück wurden immerhin Freiheit und Begegnung, mit allem was (leider) dazu gehört. Auch sich selbst fanden und trafen sie – und damit auch Kleinlichkeit und Dissens, Unzufriedenheit und Langeweile, Spießigkeit und Bürokratie. Dabei hätte alles so schön sein können...
In unserem Stück lebt auf der deutschen Enklave am Rand von Ithaka nur noch Ändi, zusammen mit anderen Gespenstern. Auch Ziegen sind da, ein paar Katzen, klar, auch Ratten und so andere Tiere. Die Zikaden brüllen viel und an den Strand verliert sich selten einTourist. Von seinem Felsenklo aus hat Ändi den Einmillionendollar Blick.
Man muss sich Ändi als einen glücklichen Menschen vorstellen, so wie er Tag für Tag die Schubkarre belädt und leert und auf einer alten Olympia Briefe an seine Freundin Astrid schreibt. Wenn er sich an alles erinnert als wäre es gestern gewesen und eine Zigarette nach der anderen dreht.
Ändi erinnert uns daran, dass man was riskieren muss, wenn man lebendig sein will. Oder doch die Wahrheit finden möchte. Und plötzlich sind wir auf einer Insel mitten in der Ägais und erwägen den eigenen Ausstieg, Hippiphobie hin oder her.
So ironisch es ist, dass gerade der Exodus aus Griechenland im vollen Gange ist – wir wollen mit Ändi gegen den Strom schwimmen. Sah man denn je schönere Olivenbäume als hier?
In der „Bücherei“ gibt es von jedem wichtigen Buch mehr als ein Exemplar. Der Käse haut einen um, erst recht die Luft. Doch dann kommt Besuch. Ein Reporter will über die Kolonie schreiben. Während er auf Ithaka und mit Ändi zunehmend glücklicher wird, plant jener insgeheim die Flucht...
Aber was ist mit uns?

Den letzten beißen die Hunde

…. In der Galerie Art Supplement stand die Uraufführung des Stückes „Letzter Ausstieg Ithaka“ auf dem Programm. Theaterchef Joachim von Burchard führte Regie und  spielt einen Journalisten, Andreas Klumpf ist Ändi, ein Aussteiger.

Göttingen. Kuschelig ist es in den Galerieräumen. In der Mitte steht ein langer Tisch, daran Bänke. Hier setzt sich nach und nach das Publikum. Ändi läuft schon ein wenig hin und her, silbergrauer Pferdeschwanz, Birkenstocks, T-Shirt und Jeans. Und er stellt Wein auf den Tisch, selbst gekeltert aus den eigenen Trauben. Ändi lebt in Ithaka auf dem griechischen Festland. Er ist der letzte Bewohner dieser Aussteiger-Enklave. Rund 100 Menschen waren in den 1970er-Jahren aufgebrochen….. Diese Aussteiger-Kolonie habe es wirklich gegeben, sagt von Burchard. Er sitzt während der Vorstellung an dem einen Ende der Tafel, ist dort für die technische Seite wie das Einspielen von Videoprojektionen zuständig. Und er füttert Ändi mit Fragen. So plätschert der Abend angenehm dahin wie ein Tag für Ändi in Ithaka, diesem Fleckchen Erde mit den tollsten Olivenbäumen, dem besten Käse und dem Eine-Million-Dollar-Blick vom Plumpsklosett. Vor Ändis Augen ziehen Filmschnipsel (Video und Musik: Jan Exner) vorbei, die ehemaligen Aussteigerkollegen in der Kolonie zeigen. Bei manchen Theaterbesuchern werden sich diese Bilder mit denen eigener Urlaubserinnerungen vermischen. Ein dauerhaftes Leben unter südlicher Sonne ohne Eis und Schnee kann ganz schön verlockend sein. Oder doch nicht?
Am Ende geht das Licht an. Die Theaterbesucher applaudieren – und bleiben sitzen.

Göttinger Tageblatt vom 09.11.2016
  • Regie: Joachim von Burchard
  • Text / Dramaturgie: Nicola Bongard
  • Sound / Video: Jan Exner
  • Mit: Andreas Klumpf, Joachim von Burchard, Imme Beccard (Video)
  • 2016
Letzter Ausstieg Ithaka
Szenenfoto
Letzter Ausstieg Ithaka
Szenenfoto
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